6 Fragen an 6 Poeten
Interview mit Jorinde Lea Miller
1. Wann hast du deinen ersten vorzeigbaren Text geschrieben und vorgezeigt?
Ich habe bereits sehr früh begonnen zu schreiben und meine sogar, bereits bevor ich schreiben konnte, innerlich Reime, Gedichte und Lieder komponiert zu haben. Jedoch war dies meist ein Prozess mit und für mich selbst und so kann ich mich nicht recht erinnern, wann ich zum ersten Mal ein solches kleines Werk geteilt habe. Es gibt aus meiner Schulzeit (ich muss etwa dritte oder vierte Klasse gewesen sein) eine Sammlung von Geschichten, zu der alle aus meiner Klasse – und so auch ich – eine Geschichte beigetragen haben.
2. Was bedeutet das Schreiben für dich?
Schreiben ist wie ein Dialog meines Unterbewusstseins und meines Bewusstseins. Wenn ich schreibe, bin ich oft vollkommen intuitiv. Was ich dann im nächsten Moment zu lesen bekomme, überrascht mich manchmal selbst und ich denke: Ach, das ist es, was dich gerade beschäftigt. Oft gerinnen da innere Bilder, Emotionen oder Gedanken auf dem Papier und werden erst dadurch für mich selbst greifbar. Der Gedanke, diesen Text mit anderen teilen zu wollen, kommt dann meist erst sehr viel später und steht im Moment des Schreibens erst einmal im Hintergrund.
3. Wie, glaubst du, wird sich die Schriftkultur in den nächsten 50 Jahren verändern?
Ich denke, die gesprochene Sprache wird sich in den nächsten 50 Jahren sehr stark weiterentwickeln. Vor allem die Einflüsse der englischen Sprache zeichnen sich ja schon jetzt sehr stark ab und sind Zeichen einer zunehmend medialen und so auch internationalen Verständigungsweise. Solche Entwicklungen werden sich bestimmt noch deutlicher in der Literatur widerspiegeln. Gleichzeitig hat die medial geprägte Lebensweise auch Einfluss auf die Lesekultur der Gesellschaft. Ich beobachte manchmal an mir selbst, dass ich in Zeiten, in denen viel medialer Input auf mich einströmt, weniger aufnahmefähig für die Lektüre von Büchern bin. Wenn ich mir also vorstelle, dass die medialen Möglichkeiten und die Digitalisierung des Alltagslebens weiter zunehmen, bekomme ich schnell das Gefühl, dass so ein Trend den Rückgang der Lesekultur begünstigen könnte. Zu pessimistische Töne möchte ich in Bezug auf die Zukunft trotzdem nicht anstimmen, denn ich habe gleichzeitig das Gefühl, dass das Lesen für viele Menschen ein sehr grundlegendes Bedürfnis widerspiegelt. Auch in 50 Jahren wird es daher immer noch Menschen geben, die lesen und ganz bestimmt auch solche, die schreiben.
4. Was ist für dich im Vergleich zu anderen Künsten das Besondere an der Literatur?
Der Vergleich fällt mir sehr schwer. Ich bewege mich ja selbst ständig zwischen verschiedensten Künsten hin und her, mache Musik in meiner Band The Miller Family, tanze, male und mache Theater. Jede dieser Künste erfüllt mich auf ganz eigene Weise und ich wünsche mir immer, sie alle zusammen fließen zu lassen. Zu schreiben jedoch hat für mich eine besondere Position inne. Es ist die stille Kunst, der ich nachts in meinem Bett, alleine in der Natur oder in stillen Momenten auf dem Balkon nachgehe. Sie ist erst einmal nur für mich und bildet einen Moment besonderer Versunkenheit in mich selbst, einen stillen Dialog mit mir selbst, auch mit meinen Geheimnissen und Ängsten.
5. Schreiben kommt vom Lesen. Welches Buch hat dich als letztes inspiriert?
Zuletzt habe ich die Biografie Frida Kahlos von Rauda Jamis gelesen. Es war seit längerem wieder ein Buch, was mich vollkommen in einen Rausch gebracht hat. Ich war ständig zwischen großer Begeisterung und Tränen hin- und hergerissen, fühlte mich in meine Kindheit versetzt und dann wieder in eine mir so fremde Welt von Düften und Eindrücken entführt. Besonders aber beeindruckten mich die Ausschnitte aus Frida Kahlos Briefen und Tagebüchern, die auf wunderbare Weise in die Texte der Autorin einflossen und mich diese beeindruckende Malerin von einer ganz neuen Seite kennenlernen ließen: Frida Kahlo, die Poetin.
6. Was kommt für dich nach dem Poetencamp?
Im September beginne ich eine Tanzausbildung an der Tanzfabrik Berlin. Die Sprache des Körpers interessiert mich nämlich ebenfalls sehr und ich träume davon, mal an der Schnittstelle von Poesie, Tanz und Theater kunstschaffend zu werden. Das Schreiben werde ich natürlich auch während dieser Ausbildung beibehalten und mich darin hoffentlich auch weiterentwickeln. Das Poetencamp hat mir auf jeden Fall eine Menge neuer Ansatzpunkte und Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt und ich bin schon sehr gespannt, was ich in den nächsten Wochen und Monaten daraus machen werde.