Programmarchiv Literaturhaus Rostock

18. Juni 2018 | 19:30 Jaroslav Rudiš: Preis der Literaturhäuser 2018

Werkschau, Lesung & Gespräch | Moderation: Ralph Kirsten (Literaturhaus Rostock/Radio LOHRO) | Filmvorführung: »Alois Nebel«[mehr]

Seine Bücher sind cool, witzig, kritisch, politisch, poetisch, widerständig, anti-bürgerlich, berührend – kurzum: Literarischer Rock’n’Roll! Und nichts weniger steckt in jedem neuen Projekt des diesjährigen Preisträgers der Literaturhäuser. Das weitgefasste Wort »Projekt« trifft es tatsächlich am besten, denn Jaroslav Rudiš bleibt nicht beim Buch stehen: Zu seinem Werk gehören Theaterstücke, Kino- und Fernsehfilme, Hörspiele und Essays – und nicht zuletzt die »Kafka Band«, in der er als Sprecher die Texte des großen deutsch-tschechischen Autors über krachendem Sound zu Gehör bringt. Folgerichtig erhielt Rudiš in diesem Jahr den mit 15.000 Euro dotierten Preis des Netzwerks der Literaturhäuser, der nicht nur Autoren, sondern auch und vor allem begeisternde Literaturvermittler auszeichnet. In einer Werkschau stellen wir zunächst das breite literarische Schaffen von Jaroslav Rudiš schlaglichtartig vor; dazu servieren wir mit jeder verkauften Karte 1 Flasche Pilsner Urquell. Warum? Als Rudiš das erste Mal nach Rostock reiste, tat er es noch als hauptberuflicher Biervertreter für ebenjene Marke. Folgerichtig kann man bei ihm auch keine Wasserglas-, sondern immer nur eine Bierglas-Lesung erwarten – diesmal auch aus einem bislang unveröffentlichten Text. Eintritt: 5,- €/erm. 3,- €
Ab 21 Uhr
Filmvorführung: »Alois Nebel«

In seinen Texten zeichnet Jaroslav Rudiš mit Ironie und feinem Gespür für die Alltagsängste der Menschen die Gesellschaft anhand von besonderen Typen, die häufig Opfer tragikomischer Ereignisse sind. Das gilt auf besondere Weise auch für den gleichnamigen Helden der Graphic Novel »Alois Nebel«. Der preisgekrönte Animationsfilm (2012) basiert auf einer dreiteiligen Graphic Novel von Jaroslav Rudis und Jaromir 99 und setzt sich so humorvoll und wie abgründig mit der deutsch-tschechischen Geschichte auseinander. Eintritt zur Filmvorführung frei

10. Juni 2018 | 10:00 Literarischer Spaziergang »Literaturstadt Rostock« - Teil 1: »Im Raume lesen wir die Zeit«

Führung mit Dr. Wolfgang Gabler | Treffpunkt: Kröpeliner Tor, 18055 Rostock [mehr]

Rostock beherbergt die älteste Universität Nordeuropas. Gern wird sie als »Leuchte des Nordens« bezeichnet. Sie wurde 1419 gegründet und sandte über die Jahrhunderte hinweg Signale aus, die viele Dichter erreichten. Vor 500 Jahren gehörte Ulrich von Hutten zu ihnen. Viele, die nach ihm kamen, waren einst kaum weniger berühmt, aber nur wenige sind in Erinnerung geblieben. Dennoch war die Universität nicht nur ein Hort der Schönen Literatur, sondern auch eine Institution, deren Mitglieder Literatur behinderten, aussortierten, gar verbrannten.

Damit symbolisiert allein dieses Gebäude die Gegensätze der Literaturgeschichte auf engstem Raum. Solche Spannungen sind Thema dieses Spaziergangs durch das literarische Rostock. In der Nördlichen Altstadt etwa stoßen wir auf ein seltsames Reiterdenkmal, das längst zu einer Art literarischem Wahrzeichen Rostocks wurde. Was es mit diesem Bronzeguss von Jo Jastram auf sich hat, wo Fritz Reuter in dieser Gegend andockte und warum das Kempowski-Ufer eine ziemlich heikle Ehrung darstellt, sind nur drei der reizvollen Fragen, die auf diesem Spaziergang aufgeworfen und – Schritt für Schritt –  beantwortet werden. Ein Projekt des Literaturhauses Rostock und der Geschichtswerkstatt Rostock e.V. im Rahmen der Ausstellung „Rostock. Meine Geschichte“ anlässlich des 800. Jubiläums der Hansestadt Rostock.

Teilnahmegebühr: 5,- €
Treffpunkt: Kröpeliner Tor, 18055 Rostock
Die literarischen Spaziergänge durch die »Literaturstadt Rostock« basieren auf dem gleichnamigen Buch, erschienen bei edition a. b. fischer. Erhältlich ist das Buch direkt beim Verlag oder in einer Buchhandlung in Ihrer Nähe. 

05. Juni 2018 | 20:00 Hans Pleschinski: »Wiesenstein«

Ein großer Gerhart-Hauptmann-Roman | Moderation: Katrin Möller-Funck (Kempowski-Archiv Rostock)[mehr]

Die Beschäftigung mit Leben und Werk Gerhart Hauptmanns ist kompliziert. Der Nobelpreisträger war zwar der meistgelesene Autor seiner Zeit, sein Name ist hundertfach aus Stadtplänen geläufig, doch wer liest ihn außerhalb des Lehrplans heute? Werk und Leben Hauptmanns wieder in Erinnerung zu rufen ist deshalb das erklärte Ziel von Hans Pleschinskis neuem Roman »Wiesenstein«, wie der Autor im Rahmen seiner Lesung im Literaturhaus Rostock am 5. Juni 2018 betonte. Viele interessierte Gäste  hatten sich an diesem Abend im Möckelsaal des Peter-Weiss-Hauses versammelt. In »Wiesenstein« beschreibt Pleschinski die letzten Jahre Gerhart Hauptmanns. Er erzählt von dessen Flucht 1945 mitsamt Familie und Bediensteten aus dem zerstörten Dresden nach Schlesien und ihr Leben in der prachtvollen Villa Wiesenstein. In drei ausgewählten Lesestellen sowie im Gespräch mit Moderatorin Katrin Möller-Funck zeigte sich, wie detailliert der Autor die damaligen Ereignisse wiederzugeben versteht. Zur Vorbereitung seines Romans hatte Pleschinski weitreichende Recherchen zu Leben und Werk Hauptmanns angestellt. Jedoch legte er Wert darauf, dass es sich – auch wenn die Ereignisse nicht erfunden seien – bei »Wiesenstein« um einen Roman und kein Sachbuch handele. Ein wichtiger Aspekt des Romans und der gelesenen Passagen ist die Endphase des zweiten Weltkrieges und insbesondere die Flucht der deutschen Bevölkerung aus Schlesien. Eindringlich beschäftigt sich Pleschinski mit dem Verlust von Heimat. Er beschreibt das Leben der Hauptmanns in der Villa Wiesenstein als anfänglich idyllisch, als Paradies inmitten einer untergehenden Welt. Doch schließlich werden die Auswirkungen des Krieges auch hier und erst recht in der nahegelegenen Kleinstadt immer deutlicher spürbar. »Wiesenstein« ist ein Roman, der drei Dimensionen miteinander verbindet und gekonnt verzahnt. Er ist sowohl Biographie und umfangreiche Beschäftigung mit dem Gesamtwerk Gerhart Hauptmanns als auch ein Buch über die historischen Umbrüche am Ende des Krieges. Pleschinski betonte, wie wichtig es für ihn war, Texte Hauptmanns zum Teil wörtlich zitiert miteinzubringen, auch um die große deutschsprachige Literatur vor 1933 zu zelebrieren – man merkt Pleschinski und seinem Roman die jahrelange Beschäftigung und Faszination für diesen großen Autor des Naturalismus an. Angeregt dazu hatte Pleschinski übrigens die Arbeit am Vorgängerroman »Königsallee« über Thomas Mann. Unausweichlich bei der Auseinandersetzung mit Hauptmann kommt man auch auf sein Verhältnis zu den Nationalsozialisten. Anders als beispielsweise Thomas Mann ist Hauptmann (der 1933 bereits über 70 Jahre alt war) nicht emigriert, wurde von Teilen des NS-Regimes hofiert (auch wenn seine zerrissenen Helden nicht in die NS-Kulturpolitik passten) und pflegte Kontakt zu Größen des Staates. Weder im Roman noch bei der Lesung weicht Hans Pleschinski diesem Thema aus. Er bemüht sich um eine ausgewogene Betrachtung und Darstellung dieses Konflikts, betont aber auch, dass es abschließend nicht zu klären sei, inwieweit sich Hauptmann vereinnahmen ließ. Hans Pleschinski, geboren 1956, lebt als freier Autor in München. Er veröffentlichte u. a. die Romane „Leichtes Licht“ (C.H.Beck, 2005), „Ludwigshöhe“ (C.H.Beck, 2008) und „Königsallee“ (C.H.Beck, 62013), der ein Bestseller wurde, und gab die Briefe der Madame de Pompadour, eine Auswahl aus dem Tagebuch des Herzogs von Croÿ und die Lebenserinnerungen der Else Sohn-Rethel heraus. Zuletzt erhielt er u. a. den Hannelore-Greve-Literaturpreis (2006), den Nicolas-Born-Preis (2008) und wurde 2012 zum Chevalier des Arts et des Lettres der Republik Frankreich ernannt. 2014 erhielt er den Literaturpreis der Stadt München und den Niederrheinischen Literaturpreis. Hans Pleschinski ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Künste. Ein Rückblick von Wieland Göhler (Praktikant)

30. Mai 2018 | 19:30 »Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Was uns Marx heute zu sagen hat«

Ulrike Herrmann (taz-Wirtschaftskorrespondentin & Autorin) im Gespräch mit Christian Reinke (SPD)[mehr]

Karl Marx war einer der größten Ökonomen aller Zeiten. Obwohl in diesem Jahr sein 200 . Geburtstag gefeiert wird, gehört er noch immer zu den revolutionären Vordenkern. Denn er hat als Erster die Paradoxien des Kapitalismus richtig benannt: Warum gibt es Armut in einer reichen Gesellschaft? Warum führt ausgerechnet der Wettbewerb dazu, dass am Ende kein Wettbewerb mehr übrig bleibt, sondern Großkonzerne herrschen? Wieso reicht der Reichtum niemals aus, sondern entsteht Wert nur durch die permanente Verwertung? Die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann erklärt, warum Marx auch heute noch so aktuell ist, und diskutiert mit dem Rostocker Politiker Christian Reinke (SPD). Eine Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung MV in Kooperation mit dem Literaturhaus Rostock. Eintritt frei

29. Mai 2018 | 20:00 50 Jahre 1968 | Heinz Bude: »Adorno für Ruinenkinder«

Lesung & Gespräch | Moderation: Heiner Hastedt (Universität Rostock, Institut für Philosophie)[mehr]

Die Achtundsechziger polarisieren noch immer. Heinz Bude hat mit Männern und Frauen gesprochen, die damals dabei waren. Gemeinsam ist ihnen der Aufbruch aus der Kindheit zwischen Ruinen in eine Welt des befreiten Lebens. Aber Adorno gab ihnen auf den Weg, dass es einem umso schwerer wird, sich in der Gesellschaft nützlich zu machen, je mehr man von der Gesellschaft versteht. Mit einer trostlosen Vergangenheit im Rücken wollten sie die Gesellschaft verändern, um ein eigenes Leben zu finden. 50 Jahre nach der Revolte ist es an der Zeit zu verstehen, wie viel Privates seinerzeit das Politische bewegte: Heinz Bude, einer der besten Kenner der deutschen Gesellschaft, zieht Bilanz. Heinz Bude, Jahrgang 1954, studierte Soziologie, Philosophie und Psychologie. Von 1997 bis 2015 leitete er den Bereich »Die Gesellschaft der Bundesrepublik« am Hamburger Institut für Sozialforschung, seit 2000 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel. Im Carl Hanser Verlag erschienen zuletzt: »Bildungspanik. Was unsere Gesellschaft spaltet« (2011), »Lebenslügen im Kapitalismus« (2014, Hanser Box) und »Das Gefühl der Welt. Über die Macht von Stimmungen« (2016). Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern. Eintritt frei

26. Mai 2018 | 20:00 TXT.FEST #5

Releaseparty der Weisz auf Schwarz #14 mit Lesungen und Musik [mehr]

Nach vier Jahren Feuerpause lädt die Redaktion der Literaturzeitschrift Weisz auf Schwarz anlässlich ihrer 14. Ausgabe zum TXT-FEST #5. Angesichts des Textremismus ist das Magazin geladen!
Unmengen von Hasskommentaren und kruder Polemik verstopfen unsere Kommunikationskanäle. Die Wortgewalttäter CRAUSS (Siegen), OLIVER KLUCK (Berlin), WOLFRAM LOTZ (Leipzig), BIRTHE MÜHLHOFF (Berlin) und JOHANNES WITEK (Salzburg) tauschen Schreib- gegen Sitzblockaden und lesen einfach. HARRO TRIPTRAP verpasst Elektroschocks. DEW DECKER macht das Licht aus. Die Moderatoren Jens Lippert und Steffen Dürre rücken dem Publikum mit textueller Belästigung zu Leibe. Einlass ab 19 Uhr
Eintritt: Studierende 6,- € // regulär 7,- € Jeder zahlende Gast erhält ein Exemplar der Weisz auf Schwarz #14.

22. Mai 2018 | 20:00 Helmut Lethen: »Die Staatsräte«

Lesung & Gespräch | Moderation: Per Leo + RESERVIERUNG empfohlen! +[mehr]

Elite im »Dritten Reich«

Der Rang dieser vier Männer ist bis heute unbestritten – und doch waren sie Teil der kulturellen Elite im Dritten Reich, ausgezeichnet mit dem Ehrentitel des «Preußischen Staatsrats»: Carl Schmitt, der brillante Jurist und Staatsrechtler, der den Nazis half, die Verfassung systematisch auszuhöhlen; der große Dirigent und Komponist Wilhelm Furtwängler, der sich auf die Immunität einer »reinen« Musik berief; Gustaf Gründgens, der schillernde Künstler, der ohne die Protektion Hermann Görings verloren gewesen wäre; schließlich der berühmte Chirurg Ferdinand Sauerbruch, der als unantastbar galt, während sich in seinem Haus auch die Attentäter des 20. Juli trafen. Wie konnte es dazu kommen, dass sich diese Männer, herausragende Vertreter des gebildeten Bürgertums in Deutschland, mit dem Nationalsozialismus einließen?

»Die Staatsräte« erzählt von Verführbarkeit und Unterdrückung, Opportunismus und Auflehnung, und mehr noch: Das Buch versammelt Gründgens, Furtwängler, Sauerbruch und Schmitt zu imaginären Gesprächen. Aus den Geschichten und Gedanken der vier präpariert Lethen die Physiognomie einer Diktatur und zeigt das komplizierte Verhältnis der geistigen Elite zur Macht. Helmut Lethen, geboren 1939, hatte ab 1996 den Lehrstuhl für Neueste Deutsche Literatur in Rostock inne. Nach seiner Emeritierung leitete er bis 2016 das Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaften in Wien, wo er auch heute lebt. Sein Buch »Verhaltenslehren der Kälte« (1994) über die Intellektuellen in der Weimarer Republik gilt als Standardwerk. 2006 erschien seine Gottfried-Benn-Biographie »Der Sound der Väter«, 2014 »Der Schatten des Fotografen«, das mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde. Das Gespräch mit Helmut Lethen führt der Autor und Historiker Per Leo. Sein Debütroman »Flut und Boden« über die Familie seines Großvaters, eines früheren SS-Sturmbannführers, stand 2014 auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse. Leo promovierte mit einer Arbeit zur Tradition des charakterologischen Denkens und ist Mitautor des 2017 erschienenen Sachbuchs »Mit Rechten reden«. Eintritt: 8,- €/5,- € erm.