Programmarchiv Literaturhaus Rostock

19. Juni 2019 | 20:00 Rückblick Einmischen! Das neue Debattenformat des Literaturhauses Rostock und der Körber-Stiftung

Provokation und Pop: Wo endet die Freiheit der Kunst? Moderation: Kai-Michael Hartig [mehr]

Am 19. Juni präsentierte das Literaturhaus Rostock die erste Ausgabe einer neuen Reihe. Einmischen! heißt das Debattenformat in Kooperation mit der Hamburger Körber-Stiftung. Die ersten Akteure der Reihe waren Jens Balzer, Popjournalist und Autor, und Klaus Farin, Aktivist und Autor. Als Moderator durften wir Kai-Michael Hartig begrüßen, Leiter des Bereichs Kultur bei der Körber-Stiftung. 
Debattiert wurde zum Thema Provokation und Pop: Wo endet die Freiheit der Kunst. Grundlage dafür war unter anderem Balzers Buch »Pop und Populismus. Über Verantwortung in der Musik«, das im Mai in der Edition Körber erschienen ist.
Balzers Ausgangspunkt für das Buch waren zum einen seine bereits publizierten ZEIT-Artikel und zum anderen die Echo-Kontroverse von 2018. Damals wurde ein Preis an die deutschen Hip-Hop-Künstler Kollegah und Farid Bang verliehen, die in ihren Texten maskuline Gewaltfantasien und antisemitische Denkweisen verherrlichen. Balzer, der bei der Echo-Verleihung im Publikum saß, hatte sich gefragt, wie lange solche Texte schon verbreitet wurden und warum innerhalb der Popindustrie und des Feuilletons niemand genau genug hingehört hatte.
Farin wurde danach gefragt, ob diese Musik in seinen Augen tatsächlich Teil der derzeitigen Jugendkultur ist und wie sie die Hörer*innen beeinflusst.  Farin stellte erst einmal klar, dass Jugendkultur ein irreführender Begriff sei, da auch Erwachsene Teil von Subkulturen sein können, die sie in ihrer Jugend entdeckt haben. Zum andere sei er der Meinung, dass Rap und Hip-Hop keine Subkulturen mehr seien, sondern längst als Teil des Mainstreams zu verstehen seien. Die überwiegend männlichen Musiker des „Gangsterraps“ versuchen sich alle an Krassheit zu übertreffen, um innerhalb der Musikindustrie wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch dadurch entsteht die Diskrepanz zwischen dem „authentischen Rap“ und dem Branding der Künstler*innen, mit dem sich die Künstler*innen aus der Verantwortung ziehen können. Doch natürlich gibt es für jede Bewegung eine Gegenbewegung. . In den Top 40 der Hitparade lassen sich erfolgreiche, größtenteils weibliche Hip-Hop Künstlerinnen finden, die emanzipatorische und clevere Texte schreiben. Pop ist ein Spiegel der Gesellschaft und so wird es immer mehr als eine Seite vertreten.
Auf die Frage, welche Ursachen solche krassen, sexistischen und rassistischen Texte haben, konnte Farin keine einfache Antwort geben. Es sei ein Zusammenspiel von Umfeld und Erziehung und teils unbekannten Faktoren. Interessant fand er jedoch, dass diese „Migrantische Musik“ (also Musik von Künstler*innen mit Migrationshintergrund) vor allem in deutschen monokulturellen Dörfern gehört werden. Sein Erklärungsansatz dafür: die privilegierte Mittelschicht erfüllt sich mit der Musik eine unterdrückte Fantasie vom Glamour des Kriminellen.
Und doch konnte Farin in Gesprächen und bei Interviews mit jugendlichen Hörer*innen feststellen, dass sie differenzierter über die Texte nachdenken, als erwartet. Sie wissen zum großen Teil, dass das sexistische und rassistische Verhalten der Rapper im Alltag nicht vertretbar wäre.
Nach einer weiteren Diskussion über verschiedene kontemporäre deutsche Künstler*innen kam eine Zwischenfrage aus dem Publikum: Was wäre denn ein musikalisch gutes Beispiel für erfolgreiche, rechtspopulärer Musiker*innen? Die Antwort war einstimmig. Es gibt keine. Das hat laut Balzer und Farin mehrere Gründe. Musiker*innen, die in ihren Texten Motive des Rechtspopulismus behandeln, distanzieren sich öffentlich von der Bewegung, da es im Großen und Ganzen geschäftsschädigend wäre. Denn die Mehrheit der deutschen Bevölkerung sieht sich selber nicht als rechts-extrem oder rassistisch. Hörer*innen würden sich nicht öffentlich zu rechtspopulären Musiker*innen anerkennen  und die Musik kaufen. Des Weiteren sind der rechten Musik zu viele Grenzen gesetzt. Die Künstler müssten weiße, heterosexuelle  Männer sein, deren Musik keine afro-amerikanischen Einflüsse oder Wurzeln hat. Und dies ist innerhalb des Pop fast unmöglich.
Nach weiteren interessanten und anregenden Publikumsfragen, stelle Hartig und eine letzte abschließende Frage: Wer trägt nun die Verantwortung für die Musik und wie soll man gegen den Hass im Mainstream vorgehen? Balzer und Farin waren beide der Meinung, dass es eine gesellschaftliche Verantwortung auf mehreren Ebenen gibt. Als Expert*innen müssen sich  Musikjournalist*innen mit jeder Art von Musik kritisch und informiert auseinandersetzen. Und jede*r muss für sich selbst darüber nachdenken und im eigenen Umfeld Diskussionen anregen. Als Fazit sagen beide Autoren, dass das wichtigste sei, über Musik und ihre Message redet. Wir bedanken uns bei allen Akteuren für einen informativen und anregenden Abend. Eine Kooperationsveranstaltung des Literaturhauses Rostock mit der Körber-Stiftung. Natalie Dielmann
(Praktikantin Literaturhaus Rostock)

19. Juni 2019 | 20:00 Einmischen! Das neue Debattenformat des Literaturhauses Rostock und der Körber-Stiftung

Provokation und Pop: Wo endet die Freiheit der Kunst? Moderation: Kai-Michael Hartig [mehr]

Der Ton wird aggressiver, auch in allen Sparten der Kunst. Anzeichen dafür finden sich in der Literatur, der Performance und der populären Musik: Die Texte werden hasserfüllter, die Musik martialischer. Jens Balzer sieht eine klare Parallele zur politischen Debatten-Unkultur. Die Behauptung, »nur Musik« machen zu wollen, verfängt nicht: Wer so viele, gerade junge, Menschen erreicht und zur Identifikation einlädt, erklärt er, hat auch die Pflicht, über die politischen Aspekte seiner Kunst nachzudenken. Wir stellen uns gemeinsam die Frage: wo endet die Freiheit der Kunst? 

An vielen Beispielen – vom Echo-Skandal bis zur Debatte über »cultural appropriation« im Pop – zeigt Jens Balzer, wie schwierig es geworden ist, zwischen populär und populistisch zu unterscheiden. Doch Popkultur ist Massenkultur, und darum müssen wir uns über ihre roten Linien verständigen. Im Gespräch auf der Bühne und mit dem Publikum versuchen wir zu debattieren, zu diskutieren und Lösungsansätze zu formulieren.

Gesprächspartner ist Klaus Farin. Das Motto seiner Arbeit: „Wer sich auf die Realität einlässt, muss die beruhigende Eindeutigkeit aufgeben.“

 

Jens Balzer lebt in Berlin und arbeitet als Autor und Kolumnist u.a. für DIE ZEIT, Deutschlandfunk, »Rolling Stone« und den rbb-Sender Radio Eins. Gemeinsam mit Tobi Müller moderiert er den monatlichen Popsalon am Deutschen Theater; er hat als Kurator an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und den Münchener Kammerspielen gearbeitet und ist künstlerischer Berater des Donaufestivals Krems. Zu seinen Büchern gehören »Die Tocotronic Chroniken« (2015, mit Martin Hossbach) und »Pop. Ein Panorama der Gegenwart« (2016). 2019 erscheint »Pop und Populismus. Über Verantwortung in der Musik« in der Edition Körber.

Klaus Farin, geboren 1958 in Gelsenkirchen, lebt seit 1980 – Punk sei Dank – in Berlin. Nach Tätigkeiten als Schülerzeitungsredakteur und Fanzine-Macher, Konzertveranstalter und -Security, Buchhändler und Journalist für Presse, Hörfunk und Fernsehen nun freier Autor, Aktivist und Vortragsreisender in Schulen und Hochschulen, Jugendklubs und Justizvollzugsanstalten, Akademien und Unternehmen. Diverse Veröffentlichungen über Skinheads, Fußballfans, Neonazis, Gothics, Karl May und andere. Von 1998 bis 2011 war Klaus Farin Leiter des auch von ihm ins Leben gerufenen Archiv der Jugendkulturen. Heute ist er Vorsitzender der Stiftung Respekt – Die Stiftung zur Förderung von jugendkultureller Vielfalt und Toleranz, Forschung und Bildung und im Vorstand von Aktion Courage e. V., dem Träger des Projektes „Schule ohne Rassismus“.

Kai-Michael Hartig studierte nach seinem Klavierexamen Kulturmanagement an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Er arbeitete im Kultursponsoring und für den Deutschlandfunk. Er war persönlicher Referent der Hamburger Kultursenatorin Christina Weiss, später Leiter des Präsidialreferates bei Senatorin Karin von Welck. Seit 2005 ist Kai-Michael Hartig verantwortlich für die Kulturaktivitäten der Körber-Stiftung, seit 2009 als Leiter des Bereichs Kultur. Er ist außerdem Mitgründer des Netzwerks Kulturmanagement sowie der Jungen Freunde der Hamburger Kunsthalle und Mitglied im Projektbeirat des Bundesjugendorchesters.

 

Ort: Literaturhaus Rostock (im Peter-Weiss-Haus), Doberaner Straße 21, 18057 Rostock
Eintritt: 8,- €/erm. 6,- € // Schüler*innen und Studierende frei
Vvk.: Pressezentrum, unter diesem Link und in der anderen buchhandlung

Eine Kooperationsveranstaltung der Körber-Stiftung und des Literaturhauses Rostock.


16. Juni 2019 | 10:00 Spaziergang 2 – Literaturstadt in allen Belangen

Treffpunkt: Hauptgebäude der Universität | Dr. Sigurd Schmidt[mehr]

Literatur in Rostock ist viel mehr als nur das Schreiben von belletristischen Büchern. Die Literaturgeschichte der Stadt zeigt Rostock als Ort des Druckens, des Verlegens, des Archivierens, Bewahrens und des Sammelns von Literatur – und die Literaturstadt Rostock ist genauso das Gegenteil: ein Ort des Verhinderns, Verbietens, Kontrollierens, Zensierens von Literatur. Das Michaeliskloster gehört zu den ältesten Druckorten Deutschlands. Heute lagern hier die Sondersammlungen der Universitätsbibliothek, darunter seltene literarische Schätze wie Das Narrenschiff und Reineke Voss, aber auch die von Peter Linde(n)berg in lateinischer Sprache verfassten Rostocker Chronik von 1596. Dem Gebäude gegenüber befinden sich das Kempowski-Archiv und das Kloster zum Heiligen Kreuz. Sie sind als markante literarische Orte Rostocks wichtige Teile des kulturellen Gedächtnisses der Stadt.

Was der Rosengarten, die Große Stadtschule, die Wallanlagen, aber auch die Steintor-Vorstadt literarisch bieten, schlägt einen Bogen durch Jahrhunderte Rostocker Literaturgeschichte und steckt voller Überraschungen.
Treffpunkt: Hauptgebäude der Universität
Die literarischen Spaziergänge durch die »Literaturstadt Rostock« basieren auf dem gleichnamigen Buch, erschienen bei edition a. b. fischer. Erhältlich ist das Buch direkt beim Verlag oder in einer Buchhandlung in Ihrer Nähe.

12. Juni 2019 | 20:00 Rückblick NDR Autoren lesen: Kenah Cusanit »Babel«

Moderation: Alexander Solloch (NDR Kultur)[mehr]

Am 12. Juni durfte das Literaturhaus Rostock Kenah Cusanit mit ihrem Debütroman »Babel«, der Anfang des Jahres im Hanser Verlag erschienen ist und für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert wurde, begrüßen. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Radiosender NDR Kultur statt und wurde live aufgezeichnet. Moderiert wurde der Abend von Alexander Solloch, Literaturredakteur bei NDR Kultur.
Solloch begrüßte das Publikum und die Autorin voller Energie und begann prompt seine Fragen zu dem spannenden und aufregenden Roman, der seine Leser*innen zu gleichen Teilen  Mühe und Freude bereiten soll, zu stellen. »Babel« erzählt die Geschichte der Ausgrabung Babylons, einer fast zwanzig Jahre andauernden Mission. Cusanit fasste den mutigen Entschluss nur einen einzigen Tag im Leben des Archäologen und Architekten Robert Koldewey, der die Ausgrabung leitete, zu erzählen. Und noch dazu einen relativ unspektakulären. Wie war es zu dieser Entscheidung gekommen? Cusanit zufolge läge es daran, dass alles zusammenhänge. Alles, was an diesem einen Tag im Jahr 1913 passierte, entstand aus dem, was vorher geschehen war und beeinflusste alles, was daraufhin passieren würde. Es ist ein flirrendes Gewebe aus Möglichkeiten, die Cusanit durchdenken und erkunden wollte.
Das Buch spielt mit den Erwartungen der Leser*innen, die darauf warten, dass etwas Großes und Wichtiges passieren wird. Ob sie vergebens warten, verriet die Autorin auf der Bühne nicht.
Cusanit sagte auch, dass die Geschichte ihr eigenes Wesen gezeigt habe und sie es gar nicht anders hätte erzählen können. Die entstandene Dynamik zwischen ihr und ihren Figuren verlangte es, ihre Geschichte, mit Rückblenden zu erzählen.
Auf die Frage, ob Cusanit durch ihren gemeinsamen Geburtsort Blankenburg auf Koldewey gestoßen sei, beantwortete sie mit einem resoluten „nein“. Sie habe erst spät in ihrem Altorientalistik-Studium überhaupt von ihm gehört und noch viel später erfahren, dass ihr Geburtsort sie verbindet. Er sei ihr zufällig über den Weg gelaufen, als sie sich die Ausstellungen im  Pergamon-Museum in Berlin angesehen habe. Cusanit sagte, dass sie sich damals gefragt habe, wie genau denn die ganzen Ausstellungsstücke nach Berlin gekommen seien und wer sie ausgegraben habe. Durch ihre Recherche sei sie auf Koldewey gestoßen, wodurch sich die Fäden anfingen zu verknoten und sich nicht mehr lösen ließen. So entstand der Wunsch die humorvolle Außenseiterfigur des Robert Koldewey literarisch zu verarbeiten. Cusanit hatte sich von Anfang an gegen ein Sachbuch entschieden, denn sie wollte sich voll in Koldewey hineindenken, ihre eigenen Emotionen in das Buch einfließen lassen und die bedrückenden Wände eines Sachbuches einreißen. Durch das Format des Romans hatte sie die Möglichkeit, viel differenzierter mit der Geschichte und den Figuren umzugehen.
Bereits 2013 fing Cusanit mit ihrer Recherche an, die eine kleine Ausgrabung in sich war. Sie stöberte in Archiven und durchforstete jede Korrespondenz mit Koldewey. Der hatte bei seiner Ausgrabung, die Ende des 19. Jahrhunderts begann, den damaligen Kaiser Deutschlands Wilhelm II. als Sponsor auf seiner Seite. Dank der Finanzierung und des biblischen Mythos, den Babylon umgab, hatte Koldewey die einzigartige Möglichkeit fast die gesamte Metropole auszugraben.
Nachdem das Publikum schon so viel über Robert Koldewey gehört hatte, war es an der Zeit eine Passage aus dem Roman zu lesen. Der Sturm, der am Abend über Rostock wütete, sorgte für eine passende Atmosphäre. »Babel« vereint das Wissen eines Sachbuchs mit der Freiheit eines Romans, um ein einzigartiges Leseerlebnis zu schaffen. Neben Koldewey ist auch die Stadt Babylon eine Figur, die man kennen und lieben lernt. Der Roman verbindet Themen wie Geschichte, Archäologie, Kultur und Politik zu einem eindrucksvollen, wenn auch manchmal schwer zu überblickenden, Gewebe.
Eine abschließende, zentrale Frage war, warum Menschen überhaupt Ausgrabungen vornehmen und ihre Funde ausstellen. Cusanit antwortete, dass es Kulturen gäbe, die ihre Vergangenheit ausstellen und andere, die ihre Vergangenheit benutzen. Die Diskrepanz zwischen etwas Wertvollem und einem Gebrauchsgegenstand ist in all diesen Kulturen menschengeschaffen. Dinge bestätigen eine Vergangenheit und legitimieren den Fortschritt, den die Menschen schon vollbracht haben und noch vollbringen wollen. Sie sieht auch Gegenwartsbezüge in allem, da sie Geschichte nicht als linear sieht, sondern als einen Raum. Alles wiederholt sich auf verschiedenen Ebenen, ob wir es nun wollen oder nicht.
Auf die Frage, was für sie als nächstes anfangen will, konnte Cusanit noch nichts Konkretes sagen.
Die gesamte Lesung kann sich am 17. November auf NDR Kultur noch einmal nachgehört werden. Wir bedanken uns bei allen Beteiligten für diesen lehrreichen und unterhaltsamen Abend. Eine Kooperationsveranstaltung von NDR Kultur und Literaturhaus Rostock. Natalie Dielmann
Praktikantin Literaturhaus Rostock)

12. Juni 2019 | 20:00 NDR Kultur Autoren lesen: Kenah Cusanit: »Babel«

Moderation: Alexander Solloch (NDR Kultur)[mehr]

1913, unweit von Bagdad. Robert Koldewey leitet im Auftrag der Deutschen Orient-Gesellschaft die Ausgrabung Babylons – und legt dabei das Fundament des Abendlandes frei. Kenah Cusanits Debüt ist Ideen-, Abenteuer- und Zeitgeschichte. Babel ist ein Roman, der den Blick auf die Gegenwart verändert. Als hätte Robert Koldewey nicht schon genug unter den Ansichten seines Assistenten Buddensieg zu leiden, quält ihn auch noch eine Blinddarmentzündung. Die Probleme sind menschlich, die Aufgabe biblisch: die Ausgrabung Babylons.  Dass sich zwischen Orient und Okzident ein Umbruch anbahnt, der die Welt bis in unsere Gegenwart hinein  erschüttern wird, treibt Koldewey an, die mesopotamischen Schätze am Euphrat zu dokumentieren. Vor den Augen eines der letzten Universalgelehrten offenbart sich Stein für Stein die Wiege der Zivilisation und mit ihr die Fundamente einer der ältesten Geschichten der Bibel, des Turms zu Babel. Kenah Cusanits literarische Expedition ins Herz des Abendlandes ist eine Archäologie der Moderne – klangvoll, hinreißend, klug. Kenah Cusanit, geboren 1979, lebt in Berlin. Für ihre Essays und Gedichte wurde die Altorientalistin und Ethnologin bereits mehrfach ausgezeichnet. Bei Hanser erschien ihr Debütroman Babel (2019). Alexander Solloch wurde in Wesel am Niederrhein geboren. Nach seinem Studium der Geschichte, Französistik und Journalistik in Leipzig und Aix-en-Provence arbeitete er als Journalist für verschiedene Zeitungen und Hörfunksender. Seit 2003 ist er für den NDR tätig, seit 2014 als Literaturredakteur für NDR Kultur. 2011 wurde er für den Deutschen Radiopreis in der Kategorie »Bestes Interview« nominiert.

Eine Kooperationsveranstaltung von NDR Kultur und Literaturhaus Rostock. Die Veranstaltung wird aufgezeichnet (Audio) und zu einem späteren Zeitpunkt im Programm von NDR Kultur ausgestrahlt. Ort: Literaturhaus Rostock (im Peter-Weiss-Haus), Doberaner Straße 21, 18057 Rostock
Eintritt: 8,- €/erm. 6,- €*
Vvk. 6,- € zzgl. Gebühr: Pressezentrum, unter diesem Link und in der andere buchhandlung * Ermäßigung auch für Inhaber*innen der NDR Kultur Card.

04. Juni 2019 | 20:00 Rückblick Unter Freund*innen: Svenja Gräfen und Christian Dittloff

Wie wollen wir in Zukunft leben? Moderation: Emily Grunert[mehr]

Am 4. Juni ging die Reihe „Unter Freund*innen“ in die zweite Runde. Diesmal zu Gast: Svenja Gräfen mit ihrem zweiten Roman »Freiraum« und Christian Dittloff mit seinem Debütroman »Das Weiße Schloss«. Moderiert wurde der Abend von Emily Grunert, Programmleitung des Literaturhauses und gemeinsame Freundin der beiden Autor*innen.
Das Thema des Abends war „Wie wollen wir in der Zukunft leben?“, eine Frage, mit der sich beide Bücher auf unterschiedliche Weise beschäftigen. Auch der Ausgangspunkt der Autor*innen war unterschiedlich. Gräfen erzählte, dass ihr Schreibprozess mit ihren zwei Protagonistinnen angefangen habe. Zu Anfang noch in einem ganz anderen Setting. Erst während des Schreibens entwickelte sich die Handlung. Gräfen sagte auch, dass sie keine besondere Recherche vorgenommen habe.
Auch Dittloff gab zu, dass er keine Feldforschung betrieben habe. Anders als Gräfen, hat er jedoch mit dem Konzept des „Weißen Schlosses“ angefangen, die Figuren ergaben sich erst später. Anstoß für das Konzept waren seine eigenen Erfahrungen. Er hatte festgestellt, dass sobald er älter als dreißig war, permanent nach Kindern und seinen eigenen Kinderwünschen gefragt wurde. Daher beschäftigte ihn das Konzept möglicher Alternativen zur traditionellen Familie.
Nach dem kurzen Einstiegsgespräch las Gräfen aus ihrem Roman. Schon die kurzen Passagen gaben einen Einblick in die Persönlichkeiten der Figuren. Die Dialoge wirkten sehr realistisch und gaben dem Publikum immer wieder Grund zum Schmunzeln. Der Roman wird auf zwei Ebenen erzählt. Gräfen hatte versucht, den Roman chronologisch aufzubauen, was für sie aber nicht funktionierte.
Auf die Frage, was für sie persönlich und für ihre Figuren der Begriff Freiraum eigentlich bedeutet, wusste Gräfen keine richtige Antwort. Sie versteht den Begriff als sehr individuell und komplex. Nur weil man auf einer Ebene Freiraum hat, bedeutet das nicht, dass man auf allen Ebenen Freiraum hat. Dies spiegelt sich auch in ihren Protagonistinnen wieder.
Da Gräfen eine bekannte Feministin und Netzaktivistin ist, stellt sich die Frage, inwieweit sie ihre politische Sicht in ihr Schreiben einfließen lässt. Gräfen sagte, dass sie keine Agenda während des Schreibens verfolgte, dass aber ihre Einstellungen und Ansichten ihr Denken und Schreiben natürlich beeinflussen.
Danach las Dittloff aus seinem Roman. Dieser wird ebenfalls auf zwei Ebenen erzählt. In die Hauptgeschichte eingeschoben, sind verschiedene historische Abrisse, die von der Evolution der Mutterschaft und der Reproduktionsmedizin berichten.  Er wollte zeigen, dass Elternschaft wandelbar ist und sich in den letzten Jahrhunderten gesellschaftlich verändert hat. Es ist nicht nur Natur im Spiel, sondern auch Kultur. Dittloff nennt sein Roman ein Gedankenexperiment mit dystopischen Momenten. Doch sein Konzept ist nicht komplett erfunden. Er sagte, er hätte von der Realität abgeschrieben, denn alles worüber er erzählt, gibt es in der einen oder anderen Form schon.
Am Ende der Gespräche kam nun die Frage auf, wie wir denn nun leben wollen und sollen. Weder Gräfen noch Dittloff beantworten diese Frage eindeutig in ihren Romanen. Beide denken, dass es darauf keine eindeutige und zufriedenstellende Antwort geben kann und jeder das für sich selber entscheiden muss.
Eine Frage aus dem Publikum regte das Gespräch an, ob man Freund*innen bereits unfertige Romanprojekte zeigt. Gräfen lässt ihre Freund*innen gerne ihre neuen Projekte lesen, da sie andere Schwerpunkte legen und dem Ganzen eine neue Perspektive geben.
Dittloff hingegen hat aus dem Fehler seines ersten unveröffentlichten Buches gelernt. Er hatte ein Stimmgewirr aus den Meinungen seiner Freund*innen, wodurch er seine eigene Schreibstimme nicht finden konnte. Für »Das Weiße Schloss« hat er kaum nach außenstehenden Meinungen gefragt.
Dadurch, dass alle drei Personen auf der Bühne befreundet waren, war es eine sehr entspannte und heitere Lesung, bei der sich alle wohlfühlten. Wir bedanken uns herzlich bei allen Akteuren für diesen anregenden Abend. Eine Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung. Natalie Dielmann
(Praktikantin im Literaturhaus Rostock)

04. Juni 2019 | 20:00 Unter Freund*innen: Svenja Gräfen & Christian Dittloff

Wie wollen wir in der Zukunft leben? Moderation: Emily Grunert (Literaturhaus Rostock)[mehr]

Befreundete Autor*innen im Gespräch auf der Bühne: In unserer Reihe »Unter Freund*innen« berichten Autor*innen von ihrem Alltag als Schriftsteller*in und tauschen sich zwanglos im Werkstattgespräch über ihre Erfahrungen und die Intention ihrer Arbeit aus.  Dieses Mal begrüßen wir Svenja Gräfen und Christian Dittloff: In ihrem Roman »Freiraum« geht Svenja Gräfen zärtlich den Gefühlen ihrer Protagonist*innen nach und erschafft ein neuartiges Bild unserer modernen Welt:
Eigentlich führen Vela und Maren eine glückliche Beziehung, hegen sogar einen gemeinsamen Kinderwunsch. Aber all ihre Träume und Pläne zerbröseln zunehmend an den Anforderungen der Großstadt. Maren will ausbrechen und ein alternatives Leben am Rande der Stadt führen. Zwischen Hoffnung, Zukunftangst und der Frage nach dem richtigen Leben versuchen Vela und Maren ihren neuen Platz in der Welt zu finden ohne sich selbst zu korrumpieren.   Svenja Gräfen, geboren 1990 und aufgewachsen in Rheinland-Pfalz, ist Schriftstellerin und feministische Aktivistin. Sie steht mit Texten auf der Bühne, hält Vorträge und leitet Workshops. 2018 wurde sie zum Klagenfurter Literaturkurs eingeladen und ist Alfred-Döblin-Stipendiatin der Akademie der Künste Berlin. Sie lebt in Leipzig und Berlin. »Freiraum« ist nach »Das Rauschen in unseren Köpfen« ihr zweiter Roman. In seinem Debütroman »Das Weiße Schloss« erzählt Christian Dittloff die Geschichte eines glücklichen Paares und stellt wichtige Fragen zu Familie, Verlust und Freiheit. Ada und Yves haben sich für ein Kind entschieden, doch fürchten sie die Unvereinbarkeit von Liebe, Karriere und Erziehung. Deshalb nehmen sie am Prestigeprojekt des Weißen Schlosses teil, wo Leihmütter Kinder fremder Eltern austragen und aufziehen, alles sozusagen Bio und Fair Trade. Elternschaft ist hier Beruf, überwacht und gelenkt von einem alles kontrollierenden Apparat. Der Nachwuchs kann jederzeit besucht werden. Über neun Monate zeigt der Roman die beiden auf dem Weg zum eigenen Kind, folgt den Veränderungen ihres Selbstbilds und ihrer Beziehung. Christian Dittloff, geboren 1983 in Hamburg, studierte Germanistik und Anglistik in Hamburg. Während des Studiums arbeitete er in einer Psychiatrie sowie als Kulturjournalist in allen Formaten von Print bis Podcast. Anschließend studierte er Literarisches Schreiben in Hildesheim. Seit 2014 ist er Social Media-Manager für die Komische Oper Berlin. Christian Dittloff lebt, arbeitet und schreibt in Berlin. »Das Weiße Schloss« ist sein erster Roman. Ort: Literaturhaus Rostock (im Peter-Weiss-Haus), Doberaner Straße 21, 18057 Rostock
Eintritt: 6,- €/erm. 4,- €
Vvk.: Pressezentrum, unter diesem Link und in der andere buchhandlung
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung MV.